Symposium - Architektur als vermutete Zukunft

Mit Nathalie Bredella (UdK Berlin), Cornelia Escher (Universität Konstanz), Daniela Fabricius (Princeton University), Irene Meissner (TU München), Achim Menges (Universität Stuttgart), Christine Kanstinger (Atelier Frei Otto), Joachim Kleinmanns (saai/KIT), Jan Knippers (Universität Stuttgart), Toni Kotnik (Aalto Universität Helsinki), Martin Kunz (saai/KIT), Georg Vrachliotis (saai/KIT), Peter Weibel (ZKM).

Keynote Lecture:
Tomas Saraceno (Berlin)

„Die Leute sagen, dass Maschinen, die Werkzeuge der Entwicklung, die Fantasie töten. Das liegt jedoch nicht an den Maschinen, sondern am Menschen selbst, der Maschinen baut, die weder anpassungsfähig noch rational sind: Maschinen, denen es an Fantasie fehlt.“ So schrieb der junge deutsche Architekt Frei Otto in seinem prägnanten, manifestartigen Essay „Imagination et architecture – essai d’une vision d’avenir“, der 1962 in der französischen Zeitschrift „L’Architecture d’Aujourd’hui“ veröffentlicht wurde. Otto illustrierte seinen Essay nicht mit Fotos von realisierten Projekten, sondern mit Aquarellzeichnungen und Tuscheskizzen, auf denen faszinierende Membrandächer und zeltartige Strukturen zu sehen waren, die sich über Wohnanlagen, Landschaften oder sogar ganze in sich geschlossene Städte spannten. Durch das Gegenüberstellen von Faktoren, die scheinbar Welten auseinanderliegen – die ungezügelte Fantasie; konstruktives oder maschinelles Potenzial – legte Otto den Finger auf das, was sich als zentrales Prinzip seiner architektonischen Praxis erweisen sollte: das anhaltende Streben, ein wirksames und fruchtbares Gleichgewicht zwischen kreativer Vision einerseits und der Rationalität technologischer Zwänge andererseits zu finden.

Die Architektur erlebt eine Wiederbelebung der Bedeutung, die dem Studium von Materialien und Bauteilen sowie den damit verbundenen handwerklichen Fähigkeiten und Kenntnissen beigemessen wird. Diese Betrachtung der physischen und handwerklichen Aspekte hat auch einen erneuten Fokus auf die Geschichte von Modellen und deren experimentelle Funktion in Architektur, Kunst und Wissenschaft gelegt. Die Frage nach der Materialisierung von Information ist in diesem Zusammenhang von großer Bedeutung.

Die Relevanz von Frei Ottos empirischer Modell-Ästhetik liegt darin, das enorme Potenzial des Objektwissens und seiner materiell-kulturellen Dimension zu erkennen – einerseits, um die Wahrnehmung der Ressource weiterhin zwischen Natur, Technik und Gesellschaft zu verankern, und andererseits, um eine bessere Untersuchung der komplexen Wechselbeziehungen zwischen digital und analog zu ermöglichen. Was bedeutet es also für Architekten und Ingenieure, in einer Gesellschaft zu entwerfen, die ein Gleichgewicht zwischen zunehmender Digitalisierung und immer wichtiger werdendem Ressourcenbewusstsein sucht? Für die zeitgenössische Architektur stellt der Reichtum und die Fülle von Frei Ottos Kosmos nichts Geringeres als ein intellektuelles Gedankenkollektiv für ein anderes und optimistisches Narrativ der zukünftigen Umwelt und des menschlichen Zusammenlebens dar.

Das Symposium „Architektur als vermutete Zukunft“ findet im Kontext der Ausstellung „Frei Otto. Denken in Modellen“ im ZKM | Karlsruhe in Zusammenarbeit mit dem Fachbereich Architekturtheorie am Institut Entwerfen, Kunst und Theorie des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) statt.

Informationen und Programm: ZKM Symposium

Karlsruhe, 26./27.1.2017